Reisejournal: Viva Loca in Sao Paulo

Ich fliege über das Land, die Stadt, Sao Paulo, welches sich als rotes Ziegelmeer bis an den Horizont und darüber hinaus erstreckt. Hochhäuser ragen wie Tetrisblöcke heraus, ein übermenschliches Spiel von niemandem gespielt und immer ohne Sieger. Ein Moloch einer Stadt von 16 Million Seelen und Armut, Gefahr als einziger Reiz, Glück als Garant fürs Überleben.

Neben mir fallen zwei fettleibige verschwitzte Donnas in ihre Sitze. Schweiss vermischt mit billigem Parfum. Ich wende mich ab, doch ihr Gestank umfährt mich wie die schwarze Pest. Ich weiß wieder einmal warum ich immer einen Gangsitz buche. Wer sie zueinander sind ist schwer zu sagen. Mutter und Tochter? Zwei Schwestern oder beste Freundinnen auf der Rückkehr von einem Shopping Trip in Rio? Ihre mit Makeup zugespachtelten Gesichter und dann noch der grellrote Lippenstift und ihre streng zurückgesteckten Haare lassen sie wie alterslose Masken wirken, Grimassen, furchtbar und entstellt. Dicke Bäuche spannen sich in blumenbedruckten Sackkleidern auf denen ihre herunterhängenden Titten aufliegen. Weh dem der diese Weibsmasse nächtens besteigen muss. Sie holen ihre Smartphones aus den Handtaschen, die sie den ganzen Flug auf ihren Knien festhalten als wären es die Knäufe der Sättel ihrer Pferde, die sie einst auf ihre Fincas ritten. Doch nun versinken sie in portugiesischen Soap Operas, die sie neben mir ohne Kopfhörer und mit voller Lautstärke konsumieren. Ich existiere nicht in ihrer Welt, wende mich von ihnen ab und schliesse die Augen.

Das San Rapphael Hotel erreicht der Taxifahrer nur über ein Gewirr von Umwegen, da eine Fiesta da la Cultura im Stadtzentrum stattfindet und die meisten Straßen abgeriegelt sind. Ein hölzerner Lift bringt mich in mein kleines Zimmer im 15. Stock. Ich mag dieses alte Hotel welches irgendwann einmal mitten in den fünfziger Jahren steckengeblieben ist. Im Restaurant bin ich der einzige Gast einer Kellnerin die mir Bavaria Beer empfiehlt mit dem ich Spaghetti und trockenes Brot hinunterspüle. Es ist Nahrung, sage ich mir, kein Essen oder gar ein Mahl.

Neben dem Hotel wurde eine Bühne aufgebaut und ein Konzert beginnt. Eine Hip Hop Band heizt die Stimmung tausender Fans für dem Main Act auf, einer Rockband, die unter Jubelschreien der Masse die Bühne betritt und mich an Mana aus Mexico erinnert. Vom Balkon herab beobachte ich die Menge, wie sie in Ekstase gerät und jede Liedzeile aus geeinter voller Kehle gröhlt und feiert als wäre es der letzte Tag auf Erden. Ich schieße noch schnell ein paar Bilder bevor auch ich mich nicht mehr halten kann und und in die Menschenmenge eintauche. Im Taumel der Masse zelebriere ich pures brasilianisches Lebensgefühl und schaffe es irgendwie spätabends unversehrt und doch noch am Leben ins Hotel zurück.

Author: freakingcat
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